Newsletter vom 25. Juni 2018: Dempster Highway, Dawson City und Top-of-the-World Highway 
Eines der letzten Abenteuer im hohen Norden soll  die Befahrung des Dempster Highways sein. Aber es braucht nicht allzu viel Mut,  sondern vor allem Ausdauer, denn fast 1500 km Schotterpiste (bis Inuvik und  zurück) wollen erstmal gefahren sein. Und einen grossen Tank braucht es auch,  denn die längste Distanz zwischen zwei Tankmöglichkeiten beträgt 365 km. Es  fehlen jegliche Kommunikationsmittel und wenn man einen Unfall hat, kann man  nur hoffen, dass bald jemand vorbeikommt und Hilfe organisiert. Aber das  allergrösste "Risiko" (weil mit der höchsten  Eintretenswahrscheinlichkeit) ist ein platter Reifen. Oder zwei. 
Leider merkten wir schnell, dass wir natürlich  nicht alleine sind mit unserem Traum von Weite und Einsamkeit. Selbst  Wohnmobil-Busse und Wohnwagen-Anhänger werden über die, jetzt im Frühling  ziemlich ramponierten Pisten hinaufgequält. Ein Eldorado für Motorradfahrer ist  der Dempster sowieso, aber auch einige mutige Fahrradfahrer tun sich diese  Strapazen an. 
Doch die Landschaft entschädigte für vieles, auch  wenn sie wegen dem schlechten Wetter öfters in Wolken und Nebel gehüllt war.  Dominierend auf dem südlichen Abschnitt sind riesige Wälder aus Schwarzfichten,  einer komischen Tanne die dünn und schmal und mit ultrakurzen Ästen manchmal  grad und manchmal schräg in die Höhe wächst. Solche Wälder nennt man auch  "Drunken Forest" und tatsächlich sieht es aus, wie wenn die meisten  Bäume völlig betrunken in der Gegend herumstehen. Der Grund ist der Permafrost;  wenn die oberen Schichten wegen der Klimaerwärmung auftauen, dann kippen manche  Bäume einfach zur Seite. 
Weiter im Norden bestimmt die arktische Tundra mit  ihrer typischen Vegetation aus Moosen, Flechten und niedrigen Büschen die  Landschaft. Hier sind im Winter riesige, mehrere Hunderttausend Tiere zählende  Karibu-Herden unterwegs und hier streifen auch die grossen Grizzlies über die  offenen Flächen. 
Grizzlies sahen wir auf dem Dempster zwar keine,  dafür einige Schwarzbären. Einen sahen wir schon von weitem entlang der Strasse  laufen und konnten sehr nahe heranfahren und ihn ausgiebig betrachten und  fotografieren. Er liess sich auch von drei Motorradfahrern nicht stressen, die  neben ihm auf der Strasse anhielten. Er wollte sich ihnen sogar neugierig  nähern, aber als einer der drei mit dem Fuss auf den Boden stampfte, trottete  er in einem Bogen vorbei. Er total unbeeindruckt, wir total beeindruckt 
  Oder am Tag darauf eine Bärenmama mit ihrem Jungen,  die neben der Strasse Gras frassen und aus einem Tümpel tranken. Sie schaute  zwar ab und zu in unsere Richtung, aber völlig entspannt. Und nicht weit  entfernt näherte sich ein ziemlich grosser Einzelgänger, der langsam die  Strasse entlang trottete. Leider konnten wir dann wegen den Büschen, in welche  er sich schlug, die Begegnung mit den beiden anderen Bären nicht beobachten. 
  Absolut faszinierend, so Auge in Auge mit wilden  Tieren. 
Egal ob Wald oder Tundra - es ist Frühjahr (obwohl  in den Senken noch viel Schnee liegt) und die Blumenpracht entlang der Strasse  explodiert geradezu und wetteifert in allen Farben des Regenbogens. Es gilt,  den kurzen Sommer auszunutzen. 
Die zweite Nacht auf dem Dempster verbrachten wir  beim Eagle Plains Hotel, nur noch knapp 100 km unterhalb des Polarkreises. Als  wir aufstanden dachten wir zuerst, dass es draussen dichten Nebel habe und dass  der starke Brandgeruch von der Holzheizung des Hotels herrühre. Leider mussten  wir dann aber schnell einsehen, dass es irgendwo einen Waldbrand hat. Das ist  hier ja nicht selten, der Dempster Highway wurde alleine letztes Jahr drei Mal  wegen Feuers gesperrt. Zum Glück lag dieser Brandherd ziemlich weit weg an der  Grenze zu Alaska und der Rauch wurde nur wegen dem heftigen Westwind bis zu uns  getrieben. Doch die Sicht war so schlecht und wurde weiter nördlich noch  schlechter, dass wir uns schweren Herzens dazu entschlossen, wieder zurück nach  Süden zu fahren. 
  Die Waldbrände in Kanada und den USA haben uns  schon so manchen Strich durch die Rechnung gemacht. 
Wenn wir so lange Strecken ohne Infrastruktur für  unseren Camper unterwegs sind, heisst es sparen. Einerseits Strom (was nicht so  schwer ist, da es rund um die Uhr hell ist und für den Rest unsere neue  Wohnraumbatterie genügend Kapazität hat), andererseits Wasser - sowohl Frischwasser wie Abwasser. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir im  Plastikbecken abwaschen und das Abwaschwasser dann wenn möglich im Plumpsklo  des Campgroundes entsorgen. Es bedeutet aber auch, dass Duschen gestrichen ist  und der gute, alte Waschlappen zum Einsatz kommt.  
Den nächsten längeren Halt legten wir in Dawson  City ein. Der Goldrausch am Klondike wurde auch von Jack London beschrieben,  deshalb ist dieses Städtchen weit über Yukon hinaus bekannt. Die Strassen sehen  wahrscheinlich noch genauso aus wie zu Jack's Zeiten - staubig, schlammig und  auf beiden Seiten von höhergelegten Holz-Stegen flankiert. Die einzige  asphaltierte Strasse führt zur Fähre, auf welcher man im 7-Minuten-Takt gratis  über den Klondike geschippert wird. 
  Es hat einige liebevoll renovierte historische  Gebäude aus der Goldgräberzeit, aber auch viele baufällige, vernachlässigte,  schiefe Häuser. Sämtliche Häuser stehen auf Stelzen, denn der Boden hier ist  Permafrost. Wenn ein Haus direkt auf den Grund gebaut und im Winter geheizt  wird, schmilzt der Frost und die Häuser sinken ein. Ein paar Exemplare aus der  Zeit, als man sich dieser Zusammenhänge noch nicht bewusst war, stehen noch  (aber nur noch als "Anschauungsmaterial"). 
Und Dawson City ist ein Touristen-Magnet. Es hat  ganz junge Aussteiger - rastabezopfte und gepiercte Alternative samt Gitarre  und Hund. E hat ältere, lederklufttragende, midlife-crisis-geplagte  Motorradfahrer, meistens in einer Gruppe unterwegs und das Motorrad unter dem  Dreck des Dempster kaum mehr erkennbar. Und dann die grösste Gruppe - die  Rentner (zu der wir ja auch gehören). Entweder im eigenen Wohnmobil oder dann  in einer Reisegruppe unterwegs, füllen diese die Gehsteige, Restaurants und  Läden.  
In Kanada verging praktisch kein Tag, an dem wir  nicht deutsch oder schweizerdeutsch hörten. Einerseits hat es sehr viele  Touristen aus diesen beiden Ländern, so viele, dass die Reiseführer und  Broschüren in den Besucherzentren nicht nur auf englisch und französisch - den  beiden Amtssprachen Kanadas - sondern auch auf deutsch aufliegen und dass in  einigen Schaufenstern ein Schild hängt "Wir sprechen deutsch".  Andererseits leben auch viele ausgewanderte Deutsche und Schweizer in Kanada,  die immer wieder gerne ihre noch vorhandenen Kenntnisse der Muttersprache an  uns ausprobieren.  
Wir überquerten also den Klondike und machten uns  auf, den nächsten Höhepunkt unter die Räder zu nehmen - den Top of the World  Highway. Er verläuft über weite Strecken auf dem Kamm einer Bergkette und  offenbart spektakuläre Aussichten auf beide Seiten. Auf 1000 Meter über Meer  kämpfen die letzten Schneeflecken gegen die Sonne, wir befanden uns bald  oberhalb der Baumgrenze und dann tauchte mitten im Nirgendwo ein Häuschen auf -  der Grenzposten zu Amerika. Ziemlich surreal in dieser menschenleeren Gegend  und hunderte Kilometer vom nächsten Dorf entfernt, aber ganz und gar ernst  gemeint. Jedes Auto muss durch ein grosses Röntgentor fahren (wohl um  Menschenschmuggel auszuschliessen) und dann wird man nach verbotenen Waren wie  Früchten, Feuerholz und "Bärenmunition" gefragt. Wir verneinten  natürlich alles, aber als der Zöllner mit unseren Pässen verschwinden wollte  fiel uns ein, dass wir ja doch etwas Feuerholz dabei hatten. Und wenn sie einen  beim Lügen erwischen, dann verstehen sie definitiv keinen Spass mehr und die  Sache kann auch sehr teuer werden. Also riefen wir ihn wieder zu uns und  gestanden, dass wir uns punkto Feuerholz geirrt hätten und dass uns das sehr  leid täte. Und da lächelte er doch tatsächlich und hatte Freude, dass wir so  ehrlich waren. Wir schwören, das war das erste Mal, dass wir einen  amerikanischen Grenzbeamten lächeln sahen! 
Nun waren wir also in Alaska, unserem erklärten  Ziel. Empfangen wurden wir von zehn Meilen nigelnagelneuem  "den-Kanadiern-zeigen-wir's"-Asphaltbelag, bevor uns der Schotter und Staub  wieder hatte. 
Punkto Einsamkeit gab's dann noch eine Steigerung:  kurz nach der Grenze zweigt eine kleine Piste nach Eagle ab - hundert Meilen  sehr schmale Strässchen winden sich haarnadelkurvig an steilen Abhängen entlang  und durch enge Täler und wir waren froh, dass uns den ganzen Tag nur drei oder  vier Autos entgegenkamen.  
  Ziemlich zu Beginn dieser Strecke sahen wir ein  hübsches Plätzchen im Busch neben der Strasse und verbrachten hier den  Nachmittag und die Nacht. Es war so ruhig, dass wir 11 Stunden am Stück  schliefen wie die Babys. Aber es war nicht einfach nur ruhig sondern sehr  präsent, auffallend, absolut still. Kein Vogelgezwitscher, keine Rabenschreie,  kein Bienengesumm, kein Rascheln des Windes in den Blättern und schon gar kein  Summen irgendwelcher Zivilisationszeichen. Die Stille drängte sich auf, machte  sich bewusst, umschloss uns lückenlos und wir konnten uns fast nicht satthören. 
Eagle ist nur im kurzen Sommer über diese Strasse  erreichbar, etwas länger auch über den Fluss Yukon (welcher immerhin während  rund 150 Tagen im Jahr eisfrei ist) und im Winter nur noch per Hundeschlitten  und Schneemobilen. Und natürlich über den Luftweg. Aber es leben ja auch nur 86  Menschen dort. 
  Das kleine Örtchen wurde im Mai 2009 von einer  Katastrophe heimgesucht. Damals schob der Yukon so viel Eis vor sich her, dass  Eagle überflutet und die erste Häuserreihe am Fluss vernichtet wurde.  
  Direkt am Ufer des Yukon verbrachten wir die Nacht,  vor uns eine wunderschöne Kulisse aus eisgrauem Strom, Schwemminseln und  steilen, im Abendlicht rot leuchtenden Felsen. 
  Und weil es so schön war, hängten wir noch einen  Tag an. Wobei die Verlängerung ein wenig auch dem Kater geschuldet war, den vor  allem Tara am Morgen hatte. Eine Gruppe der "Pioneers of Alaska"  hatte nämlich neben uns ein grosses Treffen (mindestens 20 lustige Rentner) und  diese luden uns ein zu Elchburger und Elchwurst und am Schluss auch noch zum  einen oder anderen  Schnaps. Da machten  wir auch Bekanntschaft mit der Steigerung von Süss: ein über dem Feuer  geröstetes, klebriges Marshmallow wird auf ein Cookie abgestreift, ein Stück  Schokolade kommt drauf und zum Abschluss nochmal ein Cookie. Et voilà:  Marshmallow-Burger. So süss, dass man es fast nicht runterbekommt, 
  Es war ein lustiger Abend und jetzt haben wir drei  Einladungen in der Tasche - eine nach Valdez, eine nach Fairbanks und eine nach  North Pole. 
Früh am Morgen verliessen wir - etwas wehmütig -  Eagle. Der Platz am Knie des Yukon hatte es uns angetan und wir hätten den  Schwalben noch länger zuschauen mögen. Aber uns geht langsam das Essen aus und  eine Dusche würden wir auch wiedermal vertragen. 
  So früh waren wir die Ersten auf der Piste und  hatten das riesige Glück, einen Luchs zu überraschen. Er zögerte ziemlich lange  und schaute uns neugierig an, bevor er sich ins Gebüsch zu den Jungen verzog.  Wir hörten die Kleinen noch maunzen und fauchen und hatten extrem Freude, dass  wir - das erste und wahrscheinlich letzte Mal in in unserem Leben - diese  scheuen Tiere zu Gesicht bekamen. 
  Kurz darauf scheuchten wir auch noch einen  Schwarzbären von der Strasse. 
Ganz ist der Goldrausch in Alaska nicht vorbei. An  einem Nebenarm des Fortymile River wurden - wohl mehrheitlich als  Wochenendvergnügen - fleissig die Goldwaschpfannen geschwenkt. Und auch in  Chicken (23 Einwohner im Sommer, 7 im Winter) gehört es zum Vergnügen der  Touristen dazu, stundenlang in gebückter Haltung am Wassertrog zu stehen und  Sand zu waschen.  
Und dann waren wir wieder auf dem Alaska Highway  auf dem die Schilder "Achtung Elch" nicht nur zur Zierde stehen. Wir  sahen einige der riesigen Tiere auf oder neben der Strasse und wenn sie so  überaus fotogen im Seelein grasen, wird der Alaska Highway kurzerhand zum  Parkplatz. 
In Tok tankten wir wiedermal Zivilisation. Das  bedeutete Visitor Center, ATM, Auto abspritzen, Einkaufen, Liquor Store, heisse  Dusche, Wasser und Diesel füllen und Abwasser loswerden - das ganze Programm  halt. 
Jetzt sind wir auf dem Weg nach Fairbanks und die  weitere Strecke wird uns dann Petrus vorgeben. 
  
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    Grandiose Landschaft am Dempster Highway  | 
    
 
  
  
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    Nebenarm des Klondike River  | 
    
 
  
  
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    Spannende Begegnung auf dem Dempster Highway  | 
    
 
  
  
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    Schwarzbär neben der Strasse  | 
    
 
  
  
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    Abgestorbene Bäume am südlichen Teil des Dempster  | 
    
 
  
  
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    Campground bei den Tombstone Mountain  | 
    
 
  
  
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    Nach ein paar Tagen im Schlamm und Staub - schon fast wieder sauber  | 
    
 
  
  
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    Dawson City: im Bunkhouse gibt es einfache Unterkünfte  | 
    
 
  
  
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    Wenn der Permafrost taut...  | 
    
 
  
  
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    Autofähre über den Klondike bei Dawson City  | 
    
 
  
  
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    Der Top-of-the-World Highway  | 
    
 
  
  
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    Abenddämmerung am Yukon River in Eagle  | 
    
 
  
  
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    Fest auf dem Campground in Eagle  | 
    
 
  
  
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    Weidender Elch  | 
    
 
  
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