10.10.2002 Kultur schnuppern in Perth und Fremantle
Montag, 30. September 2002
Heute ist in Australien ein Feiertag und die Geschäfte bleiben geschlossen.
Wir mussten deshalb noch einen Tag länger in Geraldton bleiben, weil
wir hier neue Autositzüberzüge bestellt haben, die wir noch
abholen wollen. Geraldton ist ein ziemlich langweiliges Städtchen.
Trotz des momentan stattfindenden "Sunshine Festivals" sind
die Strassen und die Fussgängerzone wie üblich ausgestorben.
Gestern war die grosse Eröffnung, aber ausser einer mittelmässigen
Kapelle und einigen Imbissständen wurde auch da nichts geboten.
Dafür haben wir auf dem Campingplatz Unterhaltung genug. Wir stehen
an einem strategisch günstigen Ort (oder auch ungünstig, wie
man's nimmt) und alle bleiben vor unserem exotischen Auto stehen, um ein
Schwätzchen mit uns zu halten. Das beschränkt sich dann oft
nicht nur auf das übliche "Woher-Wohin", sondern es werden
ganz offenherzig die verschiedensten Themen im Stehen erörtert. Einwanderung
oder Flüchtlingspolitik ist so ein Thema, welches die meisten beschäftigt.
Als Rassist will sich niemand sehen (obwohl Rassismus offen oder versteckt
tagtäglich vorkommt und auch in den Medien ein Dauerthema ist), aber
alle haben Angst vor den asiatischen Wirtschaftsflüchtlingen die
bereitstehen, das Land zu überfluten. Eine praktische Entschuldigung,
warum dies unter allen Umständen zu verhindern ist, hat man auch:
in Australien gibt es zu wenig Wasser. Eine Aussage, die wir immer wieder
in diesem Zusammenhang gehört haben. Vor allem in diesem Jahr ist
das Wasser tatsächlich knapp und vielerorts rationiert. Bauern haben
massive Ernte einbussen und den Garten bewässern darf man zum Beispiel
nur während je einer Stunde an zwei Tagen in der Woche.
Dienstag, 1. Oktober 2002
Der Wind macht uns noch halb wahnsinnig. Heute mussten wir sogar im Auto
frühstücken, weil es uns sonst die Tassen weggeblasen hätte.
Ach, was beneiden wir die Leute, die jetzt gemütlich in ihrem Wohnwagen
sitzen können!
Unser nächstes Ziel ist Perth, denn dort kann man sich wenigstens
in die windstillen Shoppingzentren, Museen oder Kinos zurückziehen
(kleine Nebenbemerkung für alle Australien-Fans die befürchten,
dass wir die Pinnacles nun auch noch verpassen, nachdem wir schon nicht
in Monkey Mia waren: wir haben die ganze Westküste und fast sämtliche
Sehenswürdigkeiten auf unserer vorletzten Australienreise besucht).
Aber bevor wir nach Perth fuhren, machten wir einen Abstecher nach Lancelin,
um Freunden von Freunden Grüsse auszurichten. Leider bewahrheitete
sich die Bauernregel von wegen Fliegen und Wetter, denn gestern sanken
die Temperaturen dramatisch und heute hing der Himmel voller dicker Wolken,
die immer dunkler wurden. Die Leute, die wir in Lancelin besuchen wollten,
waren nicht zu Hause und als es auch noch zu regnen begann und der Wind
die halben Sanddünen über die Dorfstrasse blies, hielt uns hier
nichts mehr.
Gegen Abend trafen wir in Perth ein, einer Stadt mit etwa 1,2 Millionen
Einwohnern (70% der Einwohner ganz Westaustraliens leben in oder um Perth)
und bis wir endlich ein Hotel mit einem einigermassen sicheren Parkplatz
gefunden hatten, war es schon dunkel.
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Ein Nebeneinander von Alt und Neu bestimmt
das Strassenbild von Perth
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Mittwoch, 2. Oktober 2002
Selbst die Einwohner von Perth scheinen sich nicht ganz sicher zu sein,
was sie vom momentanen Wetter zu halten haben. Einige tragen den Wintermantel
samt Pelzmütze und Handschuhen, andere nabelfreie Tops mit Spaghettiträgern.
Mit unseren Faserpelzjacken gehörten wir eindeutig zur ersten Gruppe,
als wir heute einen ersten Stadtrundgang machten, uns im Visitor Center
mit Kartenmaterial eindeckten und vor allem einige Appartementhäuser
anschauten, denn wenn wir eine Woche bleiben wollen, ist eine Ferienwohnung
allemal billiger als ein Hotelzimmer. Leider ist für die nächsten
Tage absolut nichts frei und jetzt machten sich die Adressen bezahlt,
die wir in den Kennedy Ranges bekamen. Angela wohnt in Claremont, einem
Vorort von Perth und sie schien sich auf jeden Fall zu freuen, als wir
bei ihr anriefen. Am späten Nachmittag standen wir vor ihrer Tür
und haben nun ein eigenes Zimmer mit Bad und die Hausschlüssel in
der Tasche. Sie müsse leider zu einer Verabredung zum Abendessen,
aber wir sollen uns wie zu Hause fühlen und der Kühlschrank
sei voll und Wein habe es auch genug. Wir sind sprachlos über so
viel Gastfreundschaft und Vertrauen und auf jeden Fall froh, erstmal ein
Dach über dem Kopf zu haben. Das Haus ist riesig und wunderschön,
vollgestopft und -gehängt mit Kunst. Angela ist seit 10 Jahren Witwe
und die Kinder sind schon lange ausgeflogen und über ganz Australien
verteilt.
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Bei Angela im Garten
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Donnerstag, 3. Oktober 2002
Man glaubt es kaum, aber heute Früh brachte uns unsere Gastgeberin
den Tee ans Bett! Geht es uns nicht gut? Claremont liegt direkt an der
Bahnlinie Perth-Fremantle und wir lassen das Auto noch so gerne hier vor
dem Haus stehen und benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel (Freunden
von uns wurde hier das Auto aufgebrochen und ausgeraubt, als sie es kurz
auf einem Parkplatz abstellten). Wir kauften uns also eine Mehrfahrtenkarte
und statteten heute Fremantle einen ersten Besuch ab. Wunderschöne
alte Häuser, jede Menge Strassencafés und spannende Restaurants,
Strassenmusikanten und ein strahlend blauer Himmel - Fremantle hat ein
spezielles Flair.
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Fremantle
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Die Bahnlinie führt am Hafen entlang, wo riesige Containerschiffe
beladen und entladen werde und wir denken unwillkürlich daran, dass
unser Auto in etwas mehr als zwei Monaten ebenfalls auf so ein Schiff
verladen wird. Wie schnell die Zeit doch vergeht.
Freitag, 4. Oktober bis Donnerstag, 10. Oktober 2002
Ein Sturm fegte die letzten Tage über Perth hinweg, knickte Bäume
um und riss Hausdächer mit sich. Er brachte aber auch den langersehnten
Regen, nachdem die Zeitungen letzte Woche schon von einer Jahrhundertdürre
schrieben. Wir verbrauchten Angelas Holzvorrat und fühlten uns vor
ihrem Ofen fast wie zu Hause. Aber da wir ihre Gastfreundschaft nicht
über die Massen strapazieren wollten und der Regen (wenigstens im
Moment) aufgehört hat, fuhren wir heute weiter.
Die letzte Woche verbrachten wir hauptsächlich in den Museen von
Perth und Fremantle, bummelten etwas in Perth herum und fanden in einem
Vorort auch jemanden, der den Riss in unserem Autodach flickte. Im Museum
of Western Australia in Perth war gerade eine Ausstellung über die
Qin- und Han-Dynastien im China vor Christi Geburt. Dort wurden ja vor
noch nicht allzu langer Zeit Gräber gefunden, welche Tausende von
lebensgrossen Tonfiguren enthalten; Krieger, Pferde, Offiziere, Spielleute.
Einen Teil dieser riesigen Armee haben wir nun gesehen, sicherlich ein
Höhepunkt unseres Perth-Besuches.
In Westaustralien (wie es in den anderen Staaten ist, wissen wir nicht)
sind übrigens alle Museen - bis auf eine freiwillige Spende - gratis
und entsprechend gut besucht. Ausserdem verkehren in den grösseren
Städten immer auch Autobusse, welche kostenlos sind und sich gut
für eine Stadtrundfahrt eignen. Und überall wird eine Einrichtung
gepflegt, die wir in ganz Asien vermisst haben - die Strassencafés.
Fast jeder Ort hat seinen "Cappuccino-Strip" und wenn es nicht
gerade Katzen hagelt, sitzen alle draussen. Auch wir frönen gerne
dem "People watching" und stellen immer wieder fest, dass sich
nicht nur die australische Politik und Gesellschaft, sondern auch das
äussere Erscheinungsbild der Australier mehr und mehr Amerika angleicht.
Fastfood ist allgegenwärtig und ein grosser Prozentsatz der Bevölkerung
ist nicht nur übergewichtig, sondern regelrecht dick. Und leider
sieht man auch sehr viele dicke Kinder.
Angela füllte uns zum Abschied das Auto mit Gemüse aus dem
Garten und selbstgemachtem Kuchen und uns allen fiel der Abschied ziemlich
schwer.
Auf dem Weg Richtung Süden statteten wir zuerst Ann und Don einen
Besuch ab, eine weitere Adresse die wir in den Kennedy Ranges bekamen.
Die Zwei nehmen verwaiste oder verletzte Kängurubabys auf und päppeln
sie gross. Leider hatten sie gerade kein Junges, aber auch die ausgewachsenen
Tiere sind völlig zahm und so konnten wir ausgiebig Kängurus
füttern und streicheln - ein besonderes Erlebnis.
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Charlie geniesst es, gestreichelt zu werden
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Nach dem Lunch fuhren wir weiter bis Bunbury und suchten uns hier ein
Motel (es regnet zur Abwechslung). Wir hätten auch bei Ann und Don
bleiben können, aber da sie gerade Besuch von einer der Töchter
hatten, wollten wir nicht stören. Wir konnten sie aber nicht davon
abhalten, uns ein Dutzend frischgelegte Eier mit auf den Weg zu geben
- die Gastfreundschaft, die wir hier erleben, ist wunderbar!
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